Am 23. August morgens um 7.00 Uhr trudeln 13 Zermatter SAC-ler allmählich auf dem Taxistand ein und werden bald einmal von den 4 wartenden Privatautos, welche uns via Grosser Sankt Bernhard ins Valsavarenche nach Pont Breuil fahren werden, verschluckt. In Täsch steigt noch Fränzi zu und setzt der munteren Truppe das i-Tüpfelchen auf. Auf der Passhöhe des Grossen Sankt Bernhard geniessen wir einen herrlich mundenden italienischen Kaffee und bewundern die klaren Konturen der uns umrundenden Berge, deren Spitzen in den
stahlblauen Himmel stechen.
Um 11.30 Uhr treffen wir in Pont Breuil ein. Dem Spurt in den Kiosk zur Sicherung des besten Genepis der Welt, folgt die Stärkung im angrenzenden Restaurant. Dann sind wir startklar: Hut aufgesetzt – Sonnenbrille zurechtgerückt – Rucksack geschultert – Wanderstöcke ergriffen und auf geht’s! Uns erwarten 700 Höhenmeter Aufstieg zum Rifugio Savoia. Unter Schatten spendenden Bäumen wandern wir in angenehmer Steigung hoch, bis uns das Tosen eines Wildbaches begrüsst und unseren Small Talk übertönt.
Wir treten aus dem Schutze des Waldes und folgen einem alten Säumerweg, der sich gestützt von Trockenmauern, in steilen Serpentinen den Hang hinauf windet. Unvermittelt ebnet sich das Gelände. Wir überqueren eine Holzbrücke und steigen einen karg bewachsenen Hang hoch. Ab 2700 m.ü.M ändert die Wegrichtung und führt uns oberhalb eines breiten, intensiv grünen Talkessels nach Süden. Der Wind zerrt an unseren Haaren und eine schwarze Regenwand droht uns einzuholen. Erste schwere Tropfen fallen. Eile ist angesagt. Alfons schält den Regenmantel aus der Originalverpackung, während alle Andern in die Regenjacken schlüpfen. Im Sauseschritt nähern wir uns in strömendem Regen dem Rifugio Savoia.
Nach einem ausgiebigen Apéro geniessen wir das Abendessen. Gemütlich lassen wir den Abend ausklingen. Songs – längst in Vergessenheit geraten - erfahren dank Silvias Liederbüchlein ein Revival. Nach einem Schlummerbecher legen wir uns früh aufs Ohr.
Ein strahlender Morgen begrüsst uns am 24. August. Wir starten kurz nach dem Frühstück um 7.45 Uhr. Die Schatten der Nacht ziehen sich zurück und überlassen der aufgehenden Sonne das Zepter. Über einen breiten Wanderweg, der durch saftige Wiesen führt, steigen wir zur Alpe Riva auf. Schwarze Kühe werfen uns missbilligende Blicke zu und ein Hund droht uns mit lautem Gebell. Unbeirrt setzen wir unseren Weg fort. Über sanft ansteigendes Weideland nähern wir uns dem Lago Rosset. Glockenblumen am Wegesrand läuten ein einmaliges Naturschauspiel ein. Links von uns breitet sich in liebliche Hügel eingebettet der Lago Rosset aus. Rechts wandert unser Auge über eine saftig grüne Kumme, die sich in der Ferne verliert.
Wir erklimmen eine Talstufe und finden uns auf einer Hochebene wieder. Staunend bewundern wir die Schönheit der unberührten Natur. Unser Tagesziel – den Mont Tout Blanc – vor Augen, steigen wir auf schmalem Weg weiter einem Sattel zu. Die Vegetation wird karger. Zwischen den Steinen am Wegesrand leuchten uns runde Moospölsterchen entgegen, während sich Hauswurz, Lichtnelken und Studentenröschen im Schutze einladender Mulden ducken. Über einen Felsvorsprung ergiesst sich, einem erstarrten Wasserfalle gleich, Marmorgestein. Auf teils unwegsamen Gelände steigen wir in eine Talebene ab, in welcher ein Bergbächlein mäandert. In dünenartigem Gelände folgen wir einem schmalen, steinigen Weg, der sich in engen Serpentinen den Hang hinauf zieht und uns zum Colle Leynir führt. Ein kalter Wind lässt uns erschaudern und der Mont Tout Blanc zeigt sich bedeckt. Wir passen unsere Kleidung den Temperaturen an und tauchen in den Nebel ein. Auf erdigem Schutt und abschüssigen Platten nähern wir uns dem Gipfel. Durch den Nebel dringende Sonnenstrahlen widerspiegeln unsere Schatten in schemenhaften Konturen. In Gipfelnähe gewinnt die Sonne die Oberhand. Der Mont-Blanc – Wächter von Chamonix – taucht umgeben von seinem Gefolge – aus dem Grau auf und grüsst uns majestätisch. Häppchenweise kredenzt der Wettergott das eindrückliche Panorama. Auf 3438 Metern über Meer stossen wir mit Tee und Wasser auf die erfolgreiche Besteigung des Mont Tout Blanc an und schiessen Gipfelfotos.
Ein einheimisches Orakel prophezeit baldige Regenschauer. Stehend verschlingen wir die mitgeschleppten Sandwiches, werfen einen letzten Blick auf den unter uns liegenden Gletscher und nehmen den Abstieg unter die Füsse. Einer abgekürzten Wegvariante folgend streben wir dem Lago Rosset zu. Wir gönnen uns eine Ruhepause, setzen uns ins weiche Gras und lassen die Seele baumeln. Während uns die Grillen bezirpen, schweift unser Blick sinnierend über die gekräuselte Wasseroberfläche. Die Prophezeiung des einheimischen Orakels hat sich noch nicht erfüllt. Wir nutzen die Gunst der Stunde und steigen trockenen Fusses über die Alpe Riva zum Rifugio Savoia ab. Dort genehmigen wir uns einen Kaffee und nehmen den Hüttenweg zum Rifugio Citta di Chivasso in Angriff. Auf 2600 Metern über Meer checken wir in den dreistöckigen Kajütenbetten ein. Langsam nervt uns das einheimische Orakel. Von Regenwolken keine Spur! Bei schönster Spätnachmittagstimmung machen wir uns auf zum Colle del Nivolet. Auf der einen Seite lächelt uns aus der Ferne der in der Abendsonne leuchtende Gipfel des Mont Tout
Blanc entgegen; auf der anderen Seite glitzern zwei Bergseen im Glanze der untergehenden Sonne. Wir lassen den Zauber der Natur auf uns wirken und wenden uns dann dem Rifugio zu.
Auf der Terrasse stossen wir mit einem Gläschen Wein auf die gelungene Tour an und unterhalten die anderen Gäste mit Gesang. Nach einem üppigen Abendessen legen wir uns schlafen.
Am 25. August essen wir um 7.00 Uhr Frühstück. Kurz nach 7.30 Uhr marschieren wir los. Noch hat die aufgehende Sonne den Weg hinunter zum Rifugio Savoia nicht erreicht. Doch bald schon treten wir aus dem Schatten und folgen einem Wiesenpfad, der sich in einem breiten Talkessel durch saftiges Weideland zieht. Neben uns fliesst ein ruhiges Bergbächlein in ausladenden Biegungen dem Tale zu. Giftiggrüne, kugelförmige Blattpflanzen spiegeln sich selbstgefällig im klaren Wasser. Nach 200 Metern Abstieg und einstündigem Marsch wenden wir uns kargerem Gelände zu. Ein schmaler, steiniger Pfad, der sich in engen Serpentinen den Hang hinauf quält, führt uns auf ein Hochplateau unterhalb des Passes Gran Collet. Auf hohen Felsbrocken sonnen sich Steinböcke und stellen ihre imposanten Hörner zur Schau. Fette Murmeltiere verkriechen sich in ihren Höhlen und wir bewundern kommentarlos das prächtige Panorama.
Vor uns liegt der letzte Aufstieg unserer Wanderung im Nationalpark. Einem felsigen Moränenweg folgend erreichen wir den Pass Gran Collet auf 2832 Metern über Meer. Der Gran Paradiso bestimmt das Landschaftsbild und wirkt zum Greifen nahe. Ein letztes Mal lassen wir das grandiose Panorama auf uns einwirken, bevor wir uns an die tausend Höhenmeter Abstieg wagen. In engen Kurven schlängelt sich der steinige Weg den Berghang hinunter. Konzentration ist angesagt. Auf der Alpe Sayvaz gönnen wir uns eine Rast. Weit unter uns – talauswärts – rückt Pont Breuil in Sichtweite. Unser Weg verschwindet zwischen hochgewachsenen Erlenstauden. Rasant verlieren wir an Höhe und nähern uns der Talebene Über den breiten Wanderweg entlang des Flusses Savara erreichen wir Pont Breuil, unseren Ausgangspunkt.
Drei erlebnisreiche, unvergessliche Tag im Nationalpark Gran Paradiso neigen sich dem Ende zu. Nach einem Abschiedsdrink lassen wir uns von Silvia, Rita und Philipp via Grossem Sankt Bernhard Heim chauffieren. Gegen 18.00 Uhr treffen wir wohlbehalten in Zermatt ein.
Die Berichterstatterin dankt der Wanderleiterin Priska Thalmann für die perfekte Organisation und
allen Teilnehmer/innen für die tolle Kameradschaft.